Wilhelms Freunde fragten wieder: Was lesen wir in diesem Herbst?
International, aber zu wenig Frauen
Wilhelms Freunde fragten wieder: Was lesen wir in diesem Herbst?
Die Traditionsveranstaltung des Fördervereins der Wilhelm-von-Oranien-Schule (WvO) fand in der Bibliothek der Schule statt. Volkmar Nix und Johannes Eckert von der hiesigen Buchhandlung Rübezahl gaben den knapp 30 lesehungrigen Gästen Tipps für die eigene Lektüre oder zum Verschenken.
Vereinsvorsitzender Dr. Bernd Peter begrüßte die Gäste mit einem Sektempfang in der Lounge der Schulbibliothek, um anschließend gemeinsam an den mit weiteren Getränken und Knabbereien gut gedeckten Tischen Platz zu nehmen und den Literaturempfehlungen der beiden Dillenburger Buchhändler zu lauschen. Diese hatten 18 Titel auf ihrer Liste, worunter sich einige Preisträgerautoren (z.B. Tonio Schachinger mit „Echtzeitalter“ oder Arno Geiger mit „Das glückliche Geheimnis“) und derzeitige Bestseller (z.B. „Ein Hof und elf Geschwister“ von Ewald Frie) fanden, aber auch wieder persönliche Geheimtipps.
Eine faszinierende Wiederentdeckung aus dem Jahr 1922 ist der Roman „Sturz in die Sonne“ von C.F. Ramuz, welcher bei Limmat erschienen ist und das heutige Bedrohungsszenario der Erderwärmung schon hundert Jahre vorher skizziert – wenn auch verursacht durch andere Einflüsse als heute. Die globale Perspektive thematisiert auch Cal Flynn mit „Verlassene Orte – Enden und Anfänge in einer menschenleeren Welt“, ein optisch höchst ansprechend gestaltetes Sachbuch, welches den Leser in Sperrgebiete oder Geisterstädte, Festungsinseln und Niemandsländer rund um die Welt entführt.
Außer diesen beiden eher düsteren Büchern gab es beim Vorleseabend aber auch jede Menge Erfreuliches, z.B. durch wunderschön illustrierte Kinderbücher wie „Mal deine Wünsche in den Himmel“, erschienen bei Prestel, oder aus demselben Verlag „Die Schaukel“ von Britta Teckentrup. Ein vorsichtiges Fragezeichen hinter allzu düstere Zukunftsperspektiven setzt auch Eduard Kaeser mit „Auf schiefer Bahn. Politische Essays zur Zukunft“.
Die Vorliebe von Eckert und Nix für gelungene Sachbücher wurden dieses Mal mit einer frappierend kurzweiligen Geschichte des Fahrrads von Jody Rosen – „Zwei Reifen, eine Welt“ – und den naturkundlichen Bänden „Insekten – Heimliche Herrscher“ von Ulrich Schmid und „Überall Leben“ von Sascha Mamczak und Martina Vogl bewiesen.
Während der literarischen d’Horizon bemerkte Volkmar Nix, was gar nicht bewusst intendiert war, nämlich wie international die Handlungsorte der diesjährigen Leseliste seien: Mehrere der vorgestellten Romane spielen in Wien, einer in der US-amerikanischen Provinz („Das Band, das uns hält“ von Kent Haruf), einer auf Island („Kalmann und der schlafende Berg“ von Joachim B. Schmidt) und einer auf den britischen Inseln („Bournville“ von Jonathan Coe).
Diese breite, internationale Perspektive fand auch wohlwollende Anerkennung beim Publikum, allerdings wurde in der abschließenden Feedback-Runde auch kritisch hinterfragt, warum denn nur so wenige Autorinnen auf der Leseliste stünden (fünf von 18). Die beiden Buchhändler entschuldigten sich mit demselben Argument, welches sie zugleich für das Erfolgsrezept von „Was lesen wir in diesem Herbst?“ halten: „Wir stellen die Bücher vor, die uns selbst begeistern. Ob es eine Frau oder ein Mann geschrieben hat, ist da zunächst zweitrangig.“ Aber: Man wolle für nächstes Jahr Besserung geloben, versprachen die beiden augenzwinkernd.
Leseliste der Buchhandlung Rübezahl:
- Tonio Schachinger – Echtzeitalter, 368 Seiten, Rowohlt, 24,- €
- Mal deine Wünsche in den Himmel, Kunst und Gedichte für Kinder und Erwachsene, 159 Seiten, Prestel, 26,- €
- Arno Geiger – Das glückliche Geheimnis, 240 Seiten, Hanser, 25,- €
- Eduard Kaeser – Auf schiefer Bahn, Politische Essays zur Zukunft, 171 Seiten, Schwabe, 23,- €
- Jonathan Coe – Bournville, 409 Seiten, Folio, 28,- €
- Jody Rosen – Zwei Reifen, eine Welt, 461 Seiten, Hoffmann & Campe, 26,- €
- Joachim B. Schmidt – Kalmann und der schlafende Berg, 304 Seiten, Diogenes, 24,- €
- F. Ramuz – Sturz in die Sonne, 187 Seiten, Limmat, 26,- €
- Kent Haruf – Das Band, das uns hält, 320 Seiten, Diogenes, 25,- €
- Britta Teckentrup – Die Schaukel, Prestel, 25,- €
- Cal Flyn – Verlassene Orte, 344 Seiten, Matthes & Seitz, 34,- €
- Ewald Frie – Ein Hof und elf Geschwister, 191 Seiten, C.H. Beck, 23,- €
- Ulrich Schmid - Insekten - Heimliche Herrscher, 208 Seiten, Kosmos, 28,- €
- Bora Chung – Der Fluch des Hasen, 261 Seiten, Culturbooks, 24,- €
- Sascha Mamczak & Martina Vogl - Überall Leben, 280 Seiten, Hammer, 24,- €
- Rao Ringru – Unsere Geschichte, 442 Seiten, Matthes & Seitz, 38,- €
- Jasmin Schreiber - Schreibers Naturarium, 352 Seiten, Eichborn, 26,- €
- Sebastien Perez – Geschichten von Samurai-Frauen, 160 Seiten, Jacoby & Stuart, 49,- €